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# MARKE

Opfer der Digitalisierung – heute: die Krawatte

„Trag nie Hermes Krawatten. Niemals. Die muss man sich erst verdienen.“ Diesen Tipp veröffentlichte das Handelsblatt im Jahr 2013 in einer (nicht ganz) ernst gemeinten Liste angeblicher Insider-Tipps für das Überleben als Praktikant bei Goldman Sachs. Heute könnte man den Tipp ergänzen mit „Und trage überhaupt keine Krawatten. Die sind neuerdings uncool.“

Vor kurzem nämlich gab die Bank, die angeblich „die Welt lenkt“, bekannt, den bis dato legendär strikten Dresscode zu lockern. Was wie eine recht banale Entscheidung über den Kleidungsstil im Unternehmen klingt, war etlichen Medien längere Berichterstattung wert. Offensichtlich vermutet man hinter der veränderten Kleidungsordnung eine Veränderung der bisherigen Ordnung an sich. Doch wer oder was lenkt Goldman Sachs bei dieser Entscheidung? Die Kunden?

Die Kunden werden in dem Zusammenhang gerne zitiert. Insbesondere bei den Sparkassen, die als Vorreiter bei der Ent-Krawattisierung im Bankwesen gelten. Die Kunden interessieren sich allerdings entweder gar nicht so besonders für das Outfit ihrer Bankberater oder bevorzugen gar den klassischen Stil. Schließlich will man wissen, mit wem man es zu tun hat. Der eigentliche Treiber des modischen Kulturwandels ist ein Phänomen, das schon viel mehr als nur das Verschwinden der Krawatten auf dem Gewissen hat: die Digitalisierung im Allgemeinen und ihre Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im Speziellen.

Seit nämlich „ITler“ nicht mehr nur leicht lichtscheue Gestalten aus dem Maschinenraum des Unternehmens sind, verändert sich alles. IT-Fachkräfte bestimmen über Produkte und Prozesse, bedienen die Lebenserhaltungssysteme und sind vor allem: rar, begehrt und teuer. Auch in Banken. Für derart umworbene Menschen, die selbst wohl lieber bei Google als bei der Kreisparkasse arbeiten würden, kann man sich als Arbeitgeber denn auch mal etwas attraktiver machen. Was in diesem Fall auch heißt Sneaker statt Budapester, Casual statt Krawatte. Employer Branding wirkt also auch über die Kleiderordnung.

Und so schwappt der Silicon-Valley-Startup-Style mehr und mehr auch in andere Bereiche der Unternehmen, verändern nicht nur Stil, sondern auch Kultur und Arbeitsweisen. Silos und Linien sind out, „agil“ ist eines der neuen Zauberworte. Das klingt cool und modern und ist trotzdem mehr als ein Buzzword. Es schafft zunächst einmal ordentlich Irritationen, weckt Erwartungen und Befürchtungen und stellt vor allem für traditionelle Unternehmen enorme Herausforderungen dar: Welche Kompetenzen brauchen wir künftig im Unternehmen? Wo bekommen wir die her? Wie integrieren wir all das in unsere bisherige Welt? Wie gestalten wir Schnittstellen?

Klar ist: An dieser Stelle braucht es sowohl neue, andere Fachkräfte als auch Führungskräfte mit anderen Kompetenzen. Und eine bewusste Kulturgestaltung, die Bewährtes mit Innovativem verbindet. Aus Gründen wie diesen ist auch eine Arbeitgebermarke ein lebendiger Organismus, der wächst und reift wie jede Persönlichkeit. Employer Branding Manager sind nicht Techniker und Konstrukteure, sondern eher Gärtner, Pfleger und Erzieher.

Alexander Szugger
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