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# KOMMUNIKATION

Ein italienisches Salatrezept für krisenresistentere Teams

Die Unterschiedlichkeit macht den Unterschied

Die Deutsche Industrienorm hat etwas Magisches. Immerhin schafft sie das Zauberkunststück, dass ich für meine 90 Jahre alte Schreibmaschine auch heute noch ein systemkompatibles Farbband bekomme. Gemessen daran ist die Historie meiner Handyladekabel eine recht trostlose Serie von One Night Stands. Gut, ich schreibe nicht wirklich oft mit der Maschine – in Relation zur Handynutzung sogar im nicht messbaren Bereich. Aber ich könnte, wenn ich wollte. Das sture Festhalten am Standard schafft irgendwie ein gutes Gefühl, oder nicht? Nein, nicht wirklich. 

Leben braucht Lebendigkeit.

Vor allem dann nicht, wenn man das Beispiel auf andere Bereiche überträgt – auf Lebens-Bereiche zum Beispiel. Auch in menschlichen Organisationen funktionieren Normierung und Standardisierung ganz hervorragend. Allerdings nur so lange, wie sich auch die Rahmenbedingungen weder zu stark noch zu schnell verändern. Die gegenwärtige Krise aber schafft genau das: Sie stellt buchstäblich über Nacht alles auf den Kopf. Das faustdicke Prozesshandbuch der durchregulierten Organisation entpuppt sich als Gebrauchsanleitung für ein One-Trick-Pony. Oder wie Paul Watzlawik sagte: „Für einen Mann mit einem Hammer sieht jedes Problem wie ein Nagel aus.“ Das momentane Problem sieht aber so gar nicht wie ein Nagel aus. Nicht einmal aus der Nähe. Es ähnelt irgendwie gar nichts, was in den Prozesshandbüchern beschrieben ist. Es erinnert uns vielmehr schmerzhaft daran, dass das Leben eben kein technisch regulierbarer Prozess ist und die meisten unserer Organisationen obendrein überaus fragile Systeme sind.

Um mit dem Leben klar zu kommen, braucht es Lebendigkeit. Wenn wir die suchen, blicken wir Deutschen gerne gen Süden, nach Italien zum Beispiel. Das könnte auch in diesem Fall nicht schaden. Denn von der Weisheit der italienischen Küche lässt sich lernen, warum lebendige Organisationen krisenresistenter sind.

Mein italienischer Freund Gabriele hat mir vor vielen Jahren verraten, was es für einen wirklich guten Salat braucht. Und zwar genau vier Personen:

  • Einen Verschwender fürs Öl.
  • Einen Geizhals für den Essig.
  • Einen Weisen für das Salz.
  • Und einen Verrückten, der alles durcheinanderbringt.

Dieses italienische Salatrezept funktioniert auch für Teams (sogar in Deutschland).

So wie alle Komponenten an sich selbst in geringen Mengen kein Genuss sind, so sind auch die Persönlichkeiten der „Köche“ allein genommen schwer erträglich. Doch während in der homogenen Organisation sich einzelne Klone zum identischen Abbild im Ganzen addieren, ist im diversen Team all’insalata italiana das Ganze weit mehr als die Summe seiner Teile. Deshalb lohnt es sich, die einzelnen Charaktere näher zu betrachten. 

Denken Sie dabei doch einmal an Ihr eigenes Team: Finden Sie dort unterschiedliche Charaktere? Kleiner Tipp: Sie erkennen sie daran, dass sie ab und zu ganz gehörig nerven. Wie gehen Sie damit um? Und worin besteht deren Wert? Nutzen Sie diesen Wert? Und was ist Ihre eigene Rolle dabei?

  • Der Verschwender denkt gerne groß und in Visionen. Zeit- und Geldbudget oder auch nur Umsetzbarkeit interessieren ihn erst einmal nicht. Er ist der Alptraum von Controlling, Compliance und Prozessmanagement. Doch er kann auch der Treiber der ganzen Unternehmung sein – derjenige, der ein motivierendes Ziel liefert, das große „Warum“ beantwortet und in Krisenzeiten auch derjenige, der eine alternative Möglichkeit sieht. Der Verschwender kann begeistern und macht Dinge erstrebenswert.

Der Geizhals denkt gerne in Zahlen und Fakten. Für ihn muss sich das Ganze in erster Linie rechnen. Alles andere ist „nice to have“. Kurz: Er kann eine enorme Spaßbremse sein. Leider damit oft auch eine Wachstums- und Entwicklungsbremse. Doch paradoxerweise schafft er damit allen Anderen kreative Freiräume. Die können sich nämlich darauf verlassen, dass in der allgemeinen Euphorie auch einer den Blick auf die Zahlen behält. Der Geizhals gibt der Unternehmung Struktur und macht Dinge leistbar.

Der Weise ruht gerne in der Mitte. Er ist der verkörperte Kompromiss und damit leider oft auch der Apologet des Mittelmaßes. Doch er ist derjenige, der neben dem Reiz des Neuen auch die Qualität des Bestehenden im Blick behält und es schafft, Ressourcen und Visionen miteinander zu verheiraten. Der Weise wirkt verbindend im Team und macht die Dinge machbar.

Der Verrückte bringt Leben in die Bude. Leben ist schließlich nicht Plan und Kompromiss, sondern Chaos und Veränderung. Der Verrückte sorgt dafür, dass Ungeplantes, Überraschendes entsteht und Dinge nicht nur größer, sondern auch anders gedacht werden. Dieses Andere könnte den Keim einer Lösung in sich tragen, die alle rettet, wenn veränderte Bedingungen andere Lösungen erfordern. So seltsam es klingt: Der Verrückte sorgt für Sicherheit. Insbesondere für Sicherheit in der Krise, wenn schlagartig neue Spielregeln gelten und daher die bisherige Prozesssicherheit ins Leere läuft. Er beherrscht die „kreative Kraft der Zerstörung“. Er macht Neues vorstellbar.

Die Kolonie der Pinguine stellt plötzlich fest, dass keiner fliegen kann. 

In einem stabilen Rahmen ist es durchaus ein Erfolgsrezept, wenn wir danach schauen, dass „die Chemie stimmt“ und wir „solche wie wir“ suchen und einstellen. Doch ändern sich die Bedingungen stärker oder schneller als wir uns selbst ändern können, wird die homosoziale Reproduktion zum handfesten Problem. Die Kolonie der Pinguine stellt plötzlich fest, dass keiner fliegen kann. Auch deshalb lohnt es sich, in Teams frühzeitig auf Diversität zu setzen. Und nein, es geht nicht darum, eine Vielfalt von Geschlechtern, Ethnien, Kulturen etc. zu erzeugen (obwohl das auch keine schlechte Idee ist) – es geht darum, Widersprüchliches zuzulassen, echte Vielfalt zu schaffen, Spannungsfelder zu erzeugen – denn aus ihnen kommt die Energie.

Auch wenn’s manchmal nervt.

Alexander Szugger
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